Rezensionen

Annegret Heinl

Als John Cage 1996 das Buch Notations (Something Else Press, 1969) veöffentlichte, eine Sammlung von mehr als 250 Partituren verschiedener Komponisten und Intermedia Künstler, zeigte es nicht nur die individuellen Schreibstile der einbezogenen Künstler, sondern auch die Grenzen der traditionellen Notation, die weder für die dynamischen Entwicklungen in der Musik noch für die dekonstruktiven Praktiken der Avangarde geeignet war. Einige Musiker und Komponisten des 20. Jahrhunderts fingen an, nicht musikalische, visuelle Strukturen und Muster moderner abstrakter Gemälde in Töne und Klänge umzusetzen. Daneben gab es modernistische Künstler, die die konventionelle Darstellungweise aufgaben und abstrakte Kompositionen mit Linie, Farbe und Muster schufen, die aus der Natur oder mathematischer und geometrischer Strukturen hergeleitet waren. Beide Tendenzen wurden in der Fluxus Bewegung, der Konzeptkunst und der Minimal Art besonders stark und überlebten in verschiedenen neo- konzeptuellen Formen und Strategien.

Partituren für jede Gelegenheit belegt, dass das aktuelle Interesse an nicht standardisierten Dastellungen von Klangstrukturen und -prozessen bei Musikern und visuellen Künstlern noch sehr lebendig ist. Hier treffen sich zwei in erster Linie Intermedia Künstler mit Musik Background, Ben Patterson und Milan Adamciak und zwei visuelle Künstler, die an gegenwärtiger Musik interessiert sind, Jan Steklík und Annegret Heinl, um uns eine mögliche Musik vorzuführen, die im Namen offener Lesarten und spielerischer Ästhetik ohne interpretatorische Beschränkungen auf die Pragmatik des Notensatzes verzichtet. Fünf zersplitterte Linien des Notensystems, freie und witzige Hinweise, sowie rhythmisierte visuelle Strukturen sprühen von Anspielungen, die über den Bedeutungsrahmen konventioneller Musikassoziationen hinausgehen. So bieten sie dem einfühlenden Betrachter die Möglichkeit seine/ihre eigene Musik in unzähligen Arten wahrzunehmen. Musik, die ihre Notation vorwegnimmt, bestätigt nur die These, dass ein Kunstwerk nicht bloß eine Verpackung von Informationen ist. Zu wissen, dass eine freie und unkonventionelle Realisation in Betracht kommt, bedeutet offensichtlich mehr als rigide Notation.

Jozef Cseres, Kurator der Ausstellung Partituren für jede Gelegenheit 2012

Annegret Heinl führt uns Über Berg und Tal in immer weiter und weiter entlegene Landschaften. Sie schreibt, d. h. sie zeichnet Partituren mit Tusche auf Notenpapier, wobei sie keine Noten verwendet. Strukturen ziehen sich über das Liniensystem. Partituren als schriftliche Aufzeichnung und Dokumentation von Klängen vereinen in Ihrer Darstellung sehen und hören. Die stillen Rhythmen repräsentieren hier Landschaften als Klang und Klang als Landschaften, die sich endlos durchwandern lassen.

Claudia Heib, Einführung zur Ausstellung Unendliche Landschaften 2012

Die Arbeit von Annegret Heinl hat mit den Collagen der sechziger Jahre begonnen und entwickelte sich über die Inspiration durch Sprache und Musik bis zu ihrer Durchdringung und dem Absuchen ihrer Grenzen. Besonders ihre optischen Partituren, die Variationsmöglichkeiten im Spiel mit der Struktur des Liniensystems und Ornaments suchen, sind ein anregender Beitrag im Dialog zwischen Musik und bildender Kunst. Zum Leitmotiv ihres Schaffens wurde auch der Moment, in dem ein kleiner Impuls große grundlegende Veränderungen verursacht. Er taucht sowohl in ihren Collagen aus Partituren ohne Noten als auch in umfangreichen Zyklen von Werken auf, die der Spiegelung und dem Spiel mit Symmetrie gewidmet sind oder die im Zusammenhang mit Performances entstanden sind. Ein wichtiger Teil der Arbeit von Annegret Heinl sind auch Aktion und Installation, die meist in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern entstehen. Oft handelt es sich um das Festhalten oder Erkunden der Grenzen zwischen den künstlerischen Ausdrucksmitteln. Im Werk von Annegret Heinl erscheint ein feines Element der Übertreibung, des Humors und der Poesie, vor allem in den letzten Jahren, nachdem sie begonnen hat, sich mehr mit Aktions- und Installationskunst zu beschäftigen, wie man in der Ausstellung im Zündorfer Wehrturm bei der Installation Nadelarbeit sehen kann. Bei Gesprächen über ihre Arbeit habe ich die Bedeutung der Fähigkeit bemerkt, durch eigene Performance die Wahrnehmung des Schaffensprozesses zu würdigen. Den synthetischen und emotiven Ausklang der Aktion erreicht die Künstlerin durch parallele und regelmäßige Wiederholung und Schichtung von Bild-, Text- und Klangereignissen. Besonders deutlich wird dies in den Performances wie Triade und Aquatonus von 2005, die sie zusammen mit Chao-Ming Tung erarbeitet hat.
Das spezifisch rationale Denken, das Annegret Heinl bei der Erkundung von Wirklichkeit und Experiment benutzt, überschreitet sie mit Hilfe der poetischen Ebene des Themas. Ihre Arbeit gewinnt so gegenwärtigen Charakter.

Tereza Petišková, Katalog zur Ausstellung 1Vež - 4Vežníci / 1Turm - 4Türmer 2009

Nicht von dieser Welt, und doch wahrnehmbar als zeitloser Raum surreal anmutender Weiten, so waren meine ersten Gedanken beim Blick auf Annegret Heinls hier zu betrachtende dreiteilige Serie Lichtblicke, Clair Obscure sowie Skyskapes. Schon ihre Titelwahl lässt Assoziationen zu, deutet auf ihre ganz außergewöhnliche Technik hin. Sie arbeitet mit dem Zufall und dem Assoziativen, spielt damit absichtlich. Annegret Heinls besondere Gabe in all ihren Werken und auch Performances ist, Konzept, Idee, Intention und doch auch wieder freie Resultate virtuos miteinander verbinden zu können. Ihr gelingt die Balance zwischen Realisierung des künstlerischen Konzepts und teils vorgegebener, teils offener Assoziation. Hinzu kommt das, was auf der Seite des Betrachters auch noch wahrgenommen wird. Genau dieses Zusammenwirken ist speziell und sehr bemerkenswert. . . .

Ihre künstlerische Grundhaltung findet sich wieder in der Bearbeitungsweise der Folienbilder, die allein durch die Vorauswahl des Foliematerials und bestimmter Tuschefarben geradezu dazu einlädt, Spiel, Zufall, Konzept und Freiräume miteinander auszuloten und genial zu kombinieren. Kalkül ist es allemal, Annegret Heinl überlässt im Vorfeld gar nichts dem Zufall. Ihre Mischkalkulation sozusagen schöpft voll und ganz das im möglichen Ergebnis innewohnende Potenzial aus. . . .
Ein archaischer zeitloser Raum oder, Momente der Ewigkeit? Wer weiß? Das sind bezeichnende Worte der uns oft eingrenzenden Sprache. Im nächsten Moment des Hinsehens kann sich alles auch schon wieder anders zeigen. Die Bilder sprechen die Täuschbarkeit und auch Veränderbarkeit unserer Wahrnehmung an. Sie machen schon etwas sichtbar, was jenseits sonst bewusster oder genormter Wahrnehmung existieren könnte. Sie thematisieren unsere Wahrnehmung von Lichteinflüssen und die Präsenz von Schatten und seine Wirkung. Andererseits entstehen sehr intensive Färbungen und außergewöhnliche „nicht-irdische Landschaften“. . . .

Im Englischen gibt es den schönen Begriff „Layers“. Ich kenne ihn aus der Musik, wo Tonebenen sich überlagern, ohne ineinander zu fließen. Jede einzelne Schicht ist deutlich als solche noch erkennbar, es gibt keinen „Salat“, keine Vermischungen der Ebenen und doch bilden alle Elemente ein Gesamtes. Letztlich wird der entstandene Raum immateriell gestaltet, denn physikalisch entsteht Farbe durch Lichteinwirkung, und Kontraste durch die Rezeptoren unserer Sehorgane. Es ist ein interessantes Phänomen, das auch hier in Annegret Heinls Folienbildern Gültigkeit hat oder besser, das sie mit Kalkül einsetzt.

Claudia Heib, Einführung zur Ausstellung Annegret Heinl, Folienbilder 2006

Die Künstlerin Annegret Heinl arbeitet nicht nur gattungsübergreifend, sondern häufig auch in Kooperation mit anderen. Ihre optischen Partituren ziehen eine Parallele zu musikalischen Kompositionen, die bereits für die Anfänge der Abstraktion in der Kunst von Bedeutung war, und zeigen vor allem ihre Nähe zu Fluxus. Die feine Grafik von Notenblättern hat die Künstlerin in zwei Schichtungen übereinander gelegt und dabei die obere mit sehr klaren Strukturen durchbrochen. Durch geringe Modifikation gelingen ihr immer wieder überraschende Varianten dieser sehr zurückhaltenden Arbeiten. Folgt der Betrachter der Aufforderung, die obere Fläche zu verschieben oder zu drehen, entstehen Irritationen wie in der OPArt. Bei der Performance Dartett bestimmen Spiel und Zufall den künstlerischen Prozess. Mit Pfeilwürfen erziehlte Treffer dienen als Noten für improvisierten Gesang und schlagen den Bogen von optischem zu akustischem Klang. Geordnetes wird spielerisch gestört, Ungeordnetes in Form gebracht.

Susanne Grube, Kuratorin von Contact - Context 2005

... In dieser Zeit [1996] interessierten sie [Annegret Heinl] komplexe Collagen, die ins Räumliche hinaustreten. Das Ausgangsmaterial, fotografische Bilder, Architekturen, Landschaften,etc. wurde kompliziert geschnitten, und ermöglichte es so, die ursprünglichen drucktechnischen Reproduktionen zu neuen räumlichen und semantischen Zusammenhängen und Kontexten zu formieren. Wichtig war für sie der Bedeutungsgehalt, die Herstellung neuer Beziehungen - nicht in der Gestalt der unerwarteten Begegnungen, sondern in der Konkretheit bestimmter Situationen; aber vorher beschäftigte sie sich auch mit reiner Geometrie, die nicht auf etwas außerhalb Liegendes verweist; wichtig war für sie das Phänomen der Spiegelung ... In den letzten Jahren entwickelt sie dann die Serie Skyscapes : zwischen zwei transparenten Folien manipuliert sie den Farbstoff; sie nutzt sowohl den Zufall, als auch organisierende Eingriffe in den verlaufenden Prozess. So werden ihre Erfahrungen mit den Eingriffen in das gefundene Material und der reinen Sensibilität der farbigen Monochromie und des realen Raumes in eine neue spielerische Qualität umgewertet. Die Nähe zur surrealistischen Dekalkomanie Dominguez’ und anderen ist bloß technologisch, der Verlauf der Operationen und vor allem das Ergebnis sind ganz anders. Eine reine Formierung der Farbe, ein lyrisches Spiel. Wenn sie eine der Folien umdreht, dominiert in der Struktur die Symmetrie: die Erfahrung der Künstlerin mit der Spiegelung erhält eine neue Gestalt.

Jirí Valoch, Katalog zur Ausstellung Zusammenflüsse und Quellen 2001

Annegret Heinl stellt sie in dieser Ausstellung eine Reihe monochromer Arbeiten aus, bei denen sie eine originäre Technik anwendet. Sie bringt weiße Tusche zwischen zwei Folien, läßt sie eintröpfeln und läßt vielfältige Strukturen entstehen, indem sie sie presst und manipuliert. Nach dem Trocknen arbeitet sie mit den Folien - sie bewegt und dreht sie nach verschieden Konzepten. Auf diese Art und Weise können symmetrische oder absichtlich unsymmetrische Bilder erzeugt werden. Die Autorin befestigt die Folien auf einem schwarzen Hintergrund, auf dem die unterschiedlichen Weißabstufungen mit der glänzenden Folienoberfläche zusammen eine ähnliche Wirkung hervorrufen wie die Schwarz-Weiß Fotografie. Die Arbeiten erreichen dadurch eine neue Dimension und sind wegen ihrer interessante Atmosphäre und ästhetische Qualität anziehend. In ihrem konzeptuellen und spielerischen Vorgehen ist sie Jan Steklík nahe und vielleicht haben sie deshalb eine Anzahl von Projekten gemeinsam entwickelt. Dazu gehören die sogenannten Games, eine Serie ungewöhnlicher, optisch täuschender Puzzle Blöcke aus Holz.

Pavlína Morganová, Katalog Galerie Gambit 2000

Im Jahre 1995 lernte Jan Steklík Annegret Heinl aus Köln am Rhein kennen, die Collagen aus gedruckten Reproduktionen verschiedener Fotografien machte. In ihren Collagen klebte sie visuelle und bedeutungsvolle Schichten aufeinander und verschob diese Schichten, um den Eindruck von Raum zu erreichen. Oft erhielt die Collage eine Dreidimensionalität, die in den Raum hineinragt. Im Kontakt mit Jan Steklík setzen sich bei ihr immer mehr rein visuelle Qualitäten und ein Moment des Spiels durch, die bis zu einem gewissen Grad die Gewichtung in Bezug auf die Bedeutung, die bis dahin für die Künstlerin im Vordergrund stand, modifizierte; ein neues Thema ihrer Collagen war z.B. ein Notensystem, ein Fünfliniensystem, also eine geometrische Konstruktion sui generis und zugleich ein metaphorischer Verweis auf die Welt der Musik als solche... Das gab der Künstlerin die Möglichkeit, die Standardform des Notensystems mittels der Collage zu modifizieren und in ihm die Kompositionsmöglichkeiten zu entdecken, die der rein bildnerischen Qualität Geltung verschaffen. Der Ausgangspunkt ihrer heutigen Arbeiten ist die Verwendung zweier transparenter Folien. Zwischen diese läßt sie weiße Farbe tropfen, und sie kann durch die Bewegung beider Folien solche Strukturen schaffen, bei denen der Prozeß des Tropfens zum Ausdruck kommt, den der Betrachter als eine Menge von Spuren skripturellen Charakters wahrnimmt. Die definitive Form der ganzen Struktur fixiert die Künstlerin auf schwarzem Papier, das den Hintergrund für die feinen Valeurs bildet, die durch die Mischung von Schwarz und Weiß zustande kommen. Manchmal dreht Annegret Heinl eine Folie um 180°, so daß wir verschiedene Aspekte der Symmetrie wahrnehmen können, die sie bei diesem Vorgang erzielt. Grundsätzlich haben diese Arbeiten zweierlei Form. Einige sind bloß durch die Bewegung der Folie aufeinander modifiziert - bei diesen kommt die ästhetische Qualität der skripturellen Aufzeichnung, größere oder kleinere Intensität von Weiß und die Gestaltung größerer Komplexe zur Geltung, die die Realisierung des Ganzen artikuliert. Bei anderen entstehen durch Drehung symmetrische Formen, die sich allerdings in Details unterscheiden. Wir können den ästhetischen und semantischen Wert der Symmetrie wahrnehmen, als ein Phänomen, das dem menschlichen Körper eigen ist, und auch als gegenseitige Beziehungen ganzer komplexer Formen, die bestimmte Raumsituationen evozieren. Bei beiden Arten dieser Werke spielt der schwarze Hintergrund eine wichtige Rolle, der durch die fotografische Skala nicht nur die Polarität, sondern auch viele Abstufungen von Schwarz und Weiß und selbstverständlich das Spielmoment, das bei der Entstehung der Werke anzutreffen ist, zur Geltung bringt Die Arbeiten sind eine bestimmte Reaktion der Künstlerin auf die Methode des Dekalks, das von den Surrealisten, in der Tschechoslowakei von Nezval und Teige, entdeckt, aber auch von Vaclav Zykmund praktiziert wurde. Im Bereich der Miniaturstrukturen modifizierte sie Milos Korecek in seinen Fokalks, die wie Bilder von einem Negativ vergrößert wurden.

Jirí Valoch, Katalog Zámecká galerie Opocno 1999

Zusammenarbeit: Annegret Heinl und Jan Steklík

In einer Zeit, in der fast alle Künstler sich bemühen, ihre Installationen so kompliziert und verzwickt, so polysemantisch mit vielen Konotationen und Verweisen wie möglich zu machen, manche so, dass man sie de facto nicht adäquat begreifen kann, sehen wir hier vielleicht die einfachste Installation, die wir uns vorstellen können: drei Plastiktüten, die nebeneinander an die Wand gehängt sind; ihr Sinn ist freilich genauso reich, und es gibt nicht wenige Konotationen, die sie mit sich bringen als bei Installationen anderer Künstler. Eines der Ergebnisse der Zusammenarbeit der Deutschen Annegret Heinl aus Köln am Rhein und Jan Steklík, der schon jahrzehntelang zwischen Prag, Brünn, Ustí nad Orlicí (dort wurde er geboren) und Orten, wohin ihn seine Aktionen und Ausstellungen führen, pendelt. Den Schlüssel zur Installation bilden Texte auf jeder Tüte, auch ganz lapidare Informationen. In der ersten befindet sich Instant-Wasser aus dem Rhein, d.h. alles, was nach dem Trocknen einer Wasserprobe, die im November 2000 in Köln entnommen wurde, in der zweiten Tüte ist Instant-Wasser aus der Moldau , d.h. alles, was nach dem Trocknen einer Wasserprobe, die zur selben Zeit in Prag genommen wurde, geblieben ist. In der dritten Tüte ist die Instant-Begegnung von Rhein und Moldau - die selbstverständlich durch das Vermischen beider ausgestellten Proben entstanden ist. Eine Installation, auf das Wesentliche befreit, ein prägnantes Konzept, aber gleichzeitig, Ironie, Sinn für Humor und Spiel, für Paraphrase und Persiflage. Die Bedeutungsskala umfasst die Reflexion der faktischen Begegnung und die sich daraus ergebende Möglichkeit der Zusammenarbeit zweier Künstler (jeder von ihnen lebt in einer dieser Städte und so verbinden sie ihre Aktivitäten!), aber ein anderer Bestandteil ist selbstverständlich auch ein Spiel mit Begriffen, welches das präsentiert, was das Wasser eigentlich verunreinigt und entwertet, als ihre Instant- Form; und so werden wir an Instant erinnert, also eigentlich die Ersatz-Charakteristik vieler Tätigkeiten, die wir ausüben, wie auch viele Stoffe, mit denen wir etwas machen oder mit denen wir mehr oder weniger in Kontakt kommen. Selbstverständlich kann es das Sichtbarmachen einer bestimmten ökologischen Situation in Form eines spielerischen Verweises sein (die Zeit der ökologischen Appelle in der Kunst ist schon 30 Jahre vorbei!)...

Das zweite gemeinsame Werk für die Ausstellung Zusammenflüsse und Quellen (die Prager Variante wurde in der Kammer-Galerie Gambit im Januar und Februar 2001, die Kölner im Kammer-Kunstkeller Klingelpütz im September desselben Jahres realisiert) sind zwei kleine Tische, ein dreieckiger für Herren und ein halbrunder für Damen. Durch beide Tischplatten geht je ein überdimensionaler Rohrbehälter mit überdimensionalem Trinkhalm, mit dem man in Prag das echte Wasser aus Prag, in Köln am Rhein das echte Wasser aus Köln trinken kann. Wieder also sowohl Verifikation einer bestimmten Wirklichkeit, Information, als auch die Eröffnung eines Spiels mit Begriffen, aber auch Evokation des Heranziehens der unterschiedlichsten außerkünstlerischen Informationen in die Welt der Kunst, wie wir das alle machen seit der Zeit der prophetischen Gesten von Duchamps.

... Zusammen mit Steklík realisiert sie (Annegret Heinl) auch Kammer-Objekte; unter ihnen sind Paraphrasen von Kinderspielen mit Würfeln unterschiedlicher Farbflächen, aus denen man ein bestimmtes Bild zusammenstellen kann. Spielerisch und mit viel Humor parphrasieren sie so vor allem verschiedene Varianten der Werke der Gründer der geometrischen Abstraktion. Das können wir heute sagen aus einer Distanz, die durch die postmoderne Situation gegeben ist, aber auch mit Liebe, denn es ist eine Kunst, die wir alle liebten.. Aber es entstehen auch gemeinsame Installationen und Performances, in denen wieder der Sinn für Humor und Spiel, das Verbinden von Profanem und Erhabenem zum Ausdruck kommt und auch das Bestreben, in die Welt der Kunst soviel wie möglich von der Welt außerhalb der Kunst hineinzutragen. Dank der gemeinsamen Performances schloss das Paar Heinl-Steklík auch Freundschaft mit Benjamin Patterson.

Jirí Valoch, Katalog Zusammenflüsse und Quellen 2001

Jan Steklíks und Annegret Heinls Zusammenarbeit besteht auch in gemeinsamen Projekten, und zwar sowohl in Form von Objekten als auch in gemeinsamen Aktionen. Das letzte und wichtigste Ergebnis bei den Objekten, die dazu anregen, an weiteren Spielen teilzunehmen, ist eine Paraphrasierung von Klotzbausteinen. Die einzelnen Bausteine sind üblicherweise auf jeder Seite mit einem aufgeklebten Fragment einer Märchenszene versehen. Annegret Heinl und Jan Steklík verändern dieses Material, das jeder aus seiner Kindheit kennt, entweder nur durch verschiedenfarbige Flächen oder durch andere visuelle Eingriffe, wie z.B. durch eigene Variationen des Punktsystems, das auf dem Spielwürfel den Wert bezeichnet. Der Betrachter kann also aktiv mit den Würfeln manipulieren, neue Konstellationen erzeugen, oder auch den Zufall einbringen, weil von den Künstlern auch Nachahmungen von Spielwürfeln zur Verfügung gestellt werden, mit deren Hilfe man dann auch die Lage der Würfel wählen kann. Bei ihren gemeinsamen Aktionen kommt zu Bewußtsein, daß man heute vielleicht nur sehr spielerische, nicht mehr dramatisch ernsthafte Aktionen machen darf. So waschen sie die mitgebrachte Wäsche der Besucher (Wäscherei zuerst realisiert von Jan Steklík und Marian Palla) oder es können in Form einer lyrischen Metapher Hinweise auf bestimmte konkrete Situationen gemacht werden, indem sie z.B. Dauerlutscher in Geigenform bei der Eröffnung des Rosenberg-Geigenmuseums im Ort Violin, einem Projekt von Josef Cseres, verteilen.

Jirí Valoch, Katalog Zámecká galerie Opocno 1999

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